Stimmen der Stadt. Ein Weg durch Manhattan


Die Sprache ist sicherlich das bedeutendste Medium zur Erfassung der Welt und der Kommunikation über sie. Ein symbolisches Netz von Lauten und ihnen zugeordnete visuelle Zeichen legt sich um die Welt, schafft Ordnung und spiegelt die vorgefundene Ordnung wider.
Der Klang der Sprache ist im Raum präsent, nimmt ihn in Besitz. Der Raum gehört den Stimmen mit starkem Klang, sei es, daß es viele Stimmen sind, sei es, daß eine besonders tönt. Auf engem Raum ist es unhöflich, laut zu sprechen, weil man den anderen den Klangraum entzieht. Jugendliche Männer, kichernde Mädchen, Touristengruppen und Betrunkene verstoßen häufig gegen diese Regel und fallen deshalb unangenehm auf. Ein guter Redner allerdings braucht eine raumfüllende Stimme, von ihm wird erwartet, daß er keine anderen Klänge neben sich duldet. Minderheiten, die für ihre Anliegen auf der Straße demonstrieren, besetzen vor allem den Klangraum. Eine Demonstration ist eine Klangwelle, die möglichst weit über den normalen Sprachraum hinausreichen soll, um viele in ihren Bann zu ziehen und den relativ wenigen für einen Moment das Gefühl der Überlegenheit zu geben.
Die moderne Stadt entstand und entsteht noch heute durch die Zuwanderung. Im Ruhrgebiet waren es erst die Kinder der Bauern aus dem Sauerland und Westfahlen, dann die Hessen aus dem Vogelsberg, es folgten Polen und Masuren und viel später Italiener, Portugiesen, Türken...Der Sprachklang der modernen Stadt gibt die Vielzahl der Kulturen wider, die die Stadt bauen und beleben. Eine eigene Sprache entwickelt sich zwischen allen, die fremd sind und die ihr Fremdsein zusammenführt. In bestimmten Städten wie New York sind alle fremd und deshalb ist es keiner mehr. Aber so war es auch in Lodz, das in kurzer Zeit aus einem Dorf zu einer wichtigen Industriestadt wurde. Deutsche, Böhmen, Juden, Russen und in dieser speziellen Stadt, die vorher keine war, auch die Polen kamen von einer wachsenden Industrie angezogen zusammen. Herausgekommen ist der "Lodzer Mensch" und der wie der "New Yorker" eine neue Kultur neben oder über den alten repräsentiert.
Das Nebeneinander der Stimmen ist kein friedlicher bunter Strauß. Einzelne Räume gehören nur einem Klang, hier spricht man chinesisch und einige Straßen weiter griechisch. Die Ränder zerfransen im Spracharchipel. Korridore des herrschenden Klangs durchziehen den Raum, hier spricht man die lingua franca, so gut man kann.
Metropolen sind laut, der Verkehr ist ihr Lebenselexier. So setzten sich die Stimmen oft nur schwer gegen die Geräusche der -Bahn und der Autos durch, machmal ist es nur ein vereinzelter Ruf, der zu hören ist. Die Untergrundbahn und die Straßenschluchten sind von Sprachklängen durchwobene Korridore. Manchmal bilden sich auch kleine Inseln - hier südamerikanisch, dort die Predigt auf der Straße. Manche Inseln sind beweglich, treiben im Stadtraum umher, verdichten sich zu einem sudamerikanischen Mikrokosmos und transformieren ins irische. Andere sind feststehende Gebäude.Kirchen sind heilige Inseln, doch die Brandung der Stadt geht nicht aus dem Sinn. Und wieder andere Inseln haben zumindest einige Zeit des Bestandes; ein chinesischer Fischmarkt wird von Imbißkneipen und Textilhändlern gestützt.
Die Ränder sind Räume der SprachKlang Vermittlung. In dem Eingangsbereich einer Bank wird den Kindern ein dauernder Sprachunterricht geboten, um die Ecke drängt sich die italienische Oper in das Gehör und gerade noch eine Ecke weiter ein Ort des gepflegten Gesprächs.

Kontaktadresse:
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34109 Kassel
Fon 0561 / 804 - 3554
Fax 0561 / 804 - 2485
E-Mail: aep@hrz.uni-kassel.de
Ansprechpartner:
Prof. Dr. D. Ipsen

Hinweis:
Das Buch "KLANGWEGE" (Hg.: Ipsen, D., Werner, H. U., Winkler J.), erschienen im Akroame Verlag Basel, ist vergriffen.
Es gibt jedoch eine Werkausgabe zu erwerben beim:
Informationssystem Planung
Fachbereich Stadtplanung / Landschaftsplanung
Universität Gesamthochschule Kassel
D - 34109 Kassel
Telefax 0561 / 8042307

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